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Mittwoch, 22. Juli 2015

Wie zuverlässig ist der Google Doktor?

Bei neu aufgetretenen Beschwerden jedweder Art ist heute oft nicht der Arzt der erste Ansprechpartner sondern das Internet. Auf dem Weg zur virtuellen Selbstdiagnose suchen viele "kranke" ihre Symptome erst mal bei Google &Co. Es werden aber auch spezialisierte Diagnostikseiten genutzt, in Deutschland z. B. NetDoktor oder Onmeda, im angelsächsischen Sprachraum DocResponse, WebMD, Healthwise, iTriage oder Isabel.

In einer Studie sollte nun herausgefunden werden wie zuverlässig diese Seiten sind.
45 fingierte Fälle wurden den virtuellen „Doktoren“ präsentiert. Dabei handelte es sich in 26 Fällen um häufige, in 19 um seltene Krankheitsbilder. Zur Auswertung gelangten 770 per Internet gestellte Diagnosen und 532 Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Das Ergebnis fiel jedoch ernüchternd aus: Nur in 34% aller Konsultationen war die korrekte Diagnose an erster Stelle einer Liste von möglichen Diagnosen. Somit lagen die Suchseiten in zwei Drittel aller Fälle daneben. In 51% war zumindest eines der ersten drei Ergebnisse ein Treffer, in 58% eines der ersten 20.

Die meisten Anbieter erfragten nicht einmal Alter und Geschlecht des Patienten. Überraschender- weise hatte dies keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis. Insgesamt taten sich die Netz-Ärzte bei häufigen Krankheitsbildern leichter; hier lag die Erfolgsrate (richtige Diagnose an erster Stelle) bei 38%, bei selteneren Erkrankungen dagegen bei 28%.

Die Qualität der verschiedenen Internet-Anbieter variiert ganz wesentlich: Bei DocResponse stand in durchschnittlich 50% der Anfragen die richtige Diagnose ganz oben. Bei bei der schwächsten Web-Site (MEDoctor) war dies nur in 5% der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Treffer unter den ersten 20 genannten Diagnosen fand, lag zwischen 34% und 84%.

Einen angemessenen Rat dazu, wie sich der Patient verhalten soll (Selbsttherapie, zum Arzt gehen oder eine Notaufnahme aufsuchen), gaben die Systeme in 57% der Fälle. Dabei wurden vor allem Notfälle korrekt weitergeleitet (80%), dagegen nur 55% der nicht notfallmäßig zu behandelnden Patienten und nur 33% derjenigen, die keine ärztliche Therapie benötigten. Die Anbieter iTriage, Symcat (beide USA), Symptomate (Polen) und Isabel (Großbritannien) rieten grundsätzlich in allen Fällen dazu, zum Arzt zu gehen. Schloss man diese vier aus, blieb eine Rate richtiger Empfehlungen von 61%.

Systeme, die auf Triage-Protokollen wie die nach Schmitt oder Thompson beruhen, lagen mit ihren Empfehlungen öfter richtig als diejenigen, die keine solche Basis hatten (72% gegenüber 55%). Solche Protokolle dienen auch medizinischen Telefon-Hotlines als Leitfaden.

Bei echten Ärzten geht man dagegen von korrekten Diagnosen in 85 bis 90% der Fälle aus. Dieser Vergleich ist aber nicht ganz fair, schließlich geht es den meisten Nutzern zunächst nur darum, sich auf die Schnelle über ihr Krankheitsbild zu informieren. 

Dennoch - was der virtuelle Arzt nicht leisten kann, ist, seine echten Kollegen in der Praxis zu entlasten. Im Gegenteil: In zwei Drittel aller Fälle, die eigentlich kein Handeln erfordert hätten, schickte der Netz-Doktor die Patienten zum Arzt. Damit kann eine  durch das Internet generierte Hypochondrie geschürt werden. Angesichts der vielen Fehldiagnosen, die sich die Cyberdocs leisten, sollten Patienten skeptisch bleiben.



Semigran HL et al. Evaluation of symptom checkers for self diagnosis and triage: audit study. BMJ 2015; 351: h3480